Familienzusammensein

Erzähl mir was! Wie Geschichten in der EKI-Gruppe Fantasie und Sprache fördern

„Das Erzählen und Vorlesen von Geschichten ist für die Sprachentwicklung von enormer Bedeutung. Es erweitert den passiven Wortschatz, fördert das Verstehen von Grundstrukturen, regt die Erzählfähigkeit des Kindes an und schafft eine wichtige Vorstufe für das spätere Lesen und Schreiben.“ (Gruschka, 2010: 10)

Wenn Sie mehrere Menschen bitten, die Augen zu schließen und an einen Turm zu denken, werden Sie feststellen, dass in der Vorstellung der Teilnehmenden sehr unterschiedliche Türme vorhanden sind: Leuchtturm, Schachfigur, Märchenturm mit Zinnen, Kirchturm, Fernsehturm … – jede/r baut  ihre/seine eigenen Bilder auf. Und genau das ist das Spannende am Geschichten erzählen: Eine Geschichte erzeugt viele unterschiedliche Bilder in den Köpfen der Zuhörenden.

Für ungeübte ErzählerInnen ist es anfangs oft nicht leicht, vom geschriebenen Wort zum freien Erzählen zu kommen. Es lässt sich aber relativ einfach „erlernen“, wenn man mit Freude, Spaß und in kleinen Schritten an die Sache herangeht. Dazu einige Tipps:

  • Beginnen Sie mit einfachen Fingerspielen und Versen und probieren Sie Variationen aus – mitzeigen, mal laut, mal leise sprechen, Tonfall und Tempo ändern, Laute einbauen, Mimik einsetzen. Kinder lieben Wiederholungen und Sie selbst gewinnen dabei Sicherheit und merken an den Reaktionen, was gut ankommt.
  • Bald merken Sie, welche Wörter bei den Kindern besonders beliebt sind. Wörter, die sie bereits kennen und zu denen sie einen Bezug haben wie z. B. Zwerg, Maus, Katze, Haube, Hund, Schwein, Hase. Wählen Sie Bilder aus, auf denen solche Wörter zu sehen sind und finden Sie beschreibende Eigenschaften dazu, z. B. der kleine Zwerg, die winzige Maus, die schnelle Katze, die kuschelige Haube, das borstige Schwein, der flinke Hase. Finden Sie zu den Wörtern passende Reimwörter, z. B. Zwerg/Berg, Maus/Haus, Katze/Tatze, Haube/ Schraube.
  • Bilden Sie Sätze mit den Reimwörtern, z. B. Der kleine Zwerg stieg auf einen hohen Berg. Mit dieser Vorübung haben Sie schon einige Sätze, mit denen Sie immer beginnen können.
  • Nun beginnt der Aufbau der Geschichte mit Hilfe der „Heldenreise“ (vgl. ImproWiki). Diese ist ein dramaturgisches Grundkonzept in vielen Mythen, Märchen, Romanen und Kinofilmen. In vereinfachter Form dient diese „Heldenreise“ als Struktur für das freie Erzählen: Eine Figur (Held/Heldin) hat eine Aufgabe zu bewältigen oder möchte sich einen Wunsch erfüllen. Ein auftauchendes Hindernis kann durch einen Helfer/eine Helferin oder durch eine spezielle Fähigkeit überwunden und die Aufgabe bewältigt, bzw. der Wunsch erfüllt werden.

Illustration eines Bilderbuchs

 

Die „Heldenreise“ als Erzählstruktur

  • Wer ist der Held/die Heldin – Wo und wie ist er/sie? Was macht er/sie jeden Tag?
  • Welche Aufgabe soll bewältigt oder welcher Wunsch erfüllt werden?
  • Welches Hindernis gibt es? Andere Person, räumliches Hindernis, negative Eigenschaft der Hauptfigur …
  • Wer sind die HelferInnen? Andere Figuren, Gegenstände, spezielle Fähigkeit …
  • Wie endet die Geschichte? Der Schluss ist immer positiv und ermutigend. Die Aufgabe wird bewältigt oder der Wunsch wird erfüllt. Wie ein Wegweiser, der die Richtung zeigt, gibt diese Struktur Sicherheit und lässt den Erzählenden trotzdem genügend Freiraum.
  • Bildkarten können helfen, den Faden nicht zu verlieren.

 

Praxis

Als Beispiel stellt die Autorin eine Lieblingsgeschichte ihrer Kinder vor.

„Der kleine Zwerg wohnt auf einem hohen Berg. Er hat ein kleines rotes Auto und jeden Mittwoch fährt der kleine Zwerg von seinem hohen Berg mit dem kleinen roten Auto in die Stadt zum Einkaufen. Auch heute setzt sich der kleine Zwerg in sein rotes Auto, schnallt sich an – ratsch, schnapp – steckt den Schlüssel ins Zündschloss und startet sein Auto. Brumm, brumm, brrrrrr – oje was ist denn los, warum geht es nicht? Der kleine Zwerg, schnallt sich los – schnapp, ratsch – steigt aus und sieht sich sein Auto genauer an. Oh, ich glaube es sieht nichts, seine Scheinwerfer sind ja ganz verschmutzt. Ich glaube, ich muss sie waschen – schrubb, schrubb. Wenn die Scheinwerfer blitzblank sind, steigt der kleine Zwerg wieder ins Auto, schnallt sich an – ratsch, schnapp – steckt den Schlüssel ins Zündschloss und – brumm, brumm brrrrr – oje was ist denn los, warum geht es immer noch nicht? Oh, ich glaube, es ist zu wenig Luft in den Reifen. Ich muss eine Pumpe holen und die Reifen aufpumpen (dies kann nun mit vielen Dingen wiederholt werden – die Kinder können sagen was schuld sein könnte, dass das Auto nicht fährt und was man machen kann). Zum Schluss kommt hinter dem Haus die kleine Maus hervor und sagt: „Ich glaube, das Auto hat kein Benzin.“ Der Zwerg füllt einen Kanister Benzin ins Auto und siehe da, es fährt. Als Dank bringt er der kleinen Maus einen gut riechenden Käse mit Löchern aus der Stadt mit“.

Diese Geschichtsform (vlg. Hannover, 2000: 24-25) regt zum Mitmachen und Mitgestalten an. Die Geräusche können nachgeahmt und die Tätigkeiten pantomimisch dargestellt werden. Viel Spaß beim Erzählen und Erfinden neuer Geschichten!

 

Idee um Geschichten erzählen in der Eki Gruppe anzuregen

In der Eltern-Kind-Gruppe wird eine Geschichtenschatzkiste mit beliebten Bildern und Gegenständen gefüllt. Die Kinder ziehen ein bis drei Dinge aus der Schatzkiste – und schon kann eine neue Geschichte beginnen. Bei einem Elterntreff kann die oben besprochene Erzählstruktur vorgestellt und gleich ausprobiert werden.

 

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Literatur

Gruschka, Helga (2010): Erstes Erzählen mit Krippenkindern. Mit Reihengeschichten, Sinnesgeschichten, Erzählkittelchen. München: Don Bosco. Hannover

Heinrich (2000): Der vergessliche Cowboy und andere Mitmachgeschichten. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch.

Improwiki: Heldenreise. http://de.improwiki.com/improtheater/Heldenreise [Zugriff am:14.6.2013]

 

Weitere Informationen 

Märchen

Vorlesen und Erzählen

elternweb2go – Geschichten machen Kinder stark

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Ulrike Brantner
Pädagogische Mitarbeiterin im Katholischen Bildungswerk der Diözese Graz-Seckau, Bereichskoordination Elternbildung, Kindergarten- und Hortpädagogin, Elternbildnerin Referentin im Ausbildungslehrgang für Eltern-Kind-GruppenleiterInnen
  • 1221 Wörter
  • 5 Minuten Lesen
  • 1 Bilder
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