In der Eltern-Kind-Gruppe über „Gott und das Leben“ reden
Wahrnehmen – beobachten – staunen – fragen – mit Kindern über Gott und die Welt reden – dazu bietet der Alltag unzählige Anlässe. Junge Kinder nehmen uns mit auf diesem Weg der Begeisterung für scheinbar Unwesentliches, einen Stein oder einen Regenwurm. Sie sind es, die uns zum Thema „über Gott und das Leben reden“ hinführen, in dem sie uns einladen, ihre Erlebnisse mit Sprache zu begleiten.
„Das Haus, in dem wir wohnen, ist aus Sprache gebaut: In ihm dürfen wir leben, finden wir Geborgenheit, Verstehen, Schutz“
(Tieber-Dorneger, 2012: S.54. In Was Frauen zu Advent und Weihnachten predigen würden. Graz: edition mariatrost)
Was für ein Geheimnis: In der Sprache, im gesprochenen Wort, ist das Leben. Über die Verbindung mit dem Erwachsenen lernt das Kind die Bedeutung eines Wortes oder umgekehrt, einen Gegenstand oder eine Erfahrung zu benennen.
Reden eröffnet einen Zugang.
Reden eröffnet einen Zugang zum Leben.
Reden eröffnet einen Zugang zum Leben und zu Gott.
Nicht-Reden verschließt einen Zugang. Das Sprachexperiment Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250) zeigte, dass Kinder ohne Sprache sterben.
Reden schafft Ver-Bindung – Mit Kindern über Gott und die Welt reden
Das Reden steht also ganz am Anfang. Reden ist mehr als die Summe der Worte, es ist ein Geschehen, bei dem das Kind die Emotion seiner Bezugspersonen aufnimmt. Über das Reden und die Zuwendung entsteht Bindung. Dasselbe gilt für das Reden mit Gott, das wir „beten“ nennen. So wie alles Reden schafft es Ver-Bindung – im Falle des Betens schafft es eine Ver-Bindung mit Gott und dem Leben.
Urvertrauen ist nicht Gottvertrauen
Das Urvertrauen, das der Säugling durch die Liebe seiner Bezugspersonen ausbildet, lässt ihn spüren, dass es eine bedingungslose Liebe gibt. Diese Erfahrung erleichtert dem Kind, an einen liebenden Gott zu glauben und Vertrauen in das Leben zu entwickeln. Urvertrauen ist nicht gleich Gottvertrauen, Urvertrauen eröffnet einen Weg hin zum Gottvertrauen – dieser Weg ist gepflastert mit gesprochenen Worten mit und über Gott und das Leben. Diese Gespräche können tagtäglich stattfinden inmitten aller Lebenssituationen, sie sind kein separater, abgespaltener Lernbereich.
Auf die Sprache achten
Mit Kindern über Gott und die Welt reden braucht keine bestimmten äußeren Bedingungen, es ist unabhängig vom Ort, der Zeit oder der Art. Ob wir singen, reden, tanzen oder meditieren – Kinder erfahren, dass es um die Verbundenheit mit dem Leben geht und nicht um große Anstrengungen. Sehr wohl aber ist es wichtig, in Formulierungen zu sprechen, die die Kinder auch in 10 und 20 Jahren noch beten können, ohne sich kindisch vorzukommen. Mit den Worten, die sie lernen, werden sie erwachsen. Was wir dem Kind vorsagen, bleibt in ihn haften. … Vorsicht mit dem „lieben Gott“ – die Bezeichnung „lieb“ hält nicht immer – das Kind erlebt, dass vieles in seinem Leben nicht „lieb“ ist (das Zerbrechen von Freundschaften, die Scheidung der Eltern, der Tod des Hamsters, Streit, Armut, …).
Beziehung pflegen mit Gott
Das Kind ist dabei, wenn Menschen ihre Erlebnisse und Gefühle einander mitteilen und so in Beziehung sind. Es selbst erfährt aufmerksames Zuhören und Zuwendung und erlebt sich in Beziehung.
Wenn das Kind sieht und hört, dass Erwachsene auch Gott ihre Erlebnisse und Gefühle mitteilen, hat es etwas Wesentliches über das Reden mit und über Gott gelernt: dass dafür dieselben Maßstäbe gelten wie zwischen Menschen. Ich kann mein eigenes Leben mit all seinen guten und schwierigen Seiten mit Gott besprechen. Ich kann alles zur Sprache bringen, was mich belastet oder freut, ich kann eine Bitte oder einen Dank an Gott und das Leben richten.
Das lässt sich auch in den Alltag der Eltern-Kind-Gruppe integrieren. Es gibt viele freudige Anlässe, „danke“ zu sagen: Gemeinschaft, Geburtstag, Essen, Geburt eines Geschwisters, Gesundheit nach einer längeren Krankphase, …
Gott und das Leben ins Wort zu bringen kann Teil von Gruppenritualen sein, z.B. bei der Begrüßung oder zum Geburtstag:
Hände vor die Augen halten | |
Schau! Schau! Da ist … (Marlene). | Hände wegnehmen |
Hast du sie heute schon gesehn? | in die Runde fragen |
Sie ist wunderschön. | |
Gut, Marlene, dass DU bei uns bist. | klatschen |
Gott hat sich DICH ausgedacht, das hat er wirklich gut gemacht! | |
Marlene! | alle rufen den Namen des Kindes |
Nussmüller (Text modifiziert nach einem Lied von Monika Arnold, 2011: Religiöses Erleben von Anfang an. München: Don Bosco)
Den Glückwünschen sind die Segenswünsche sehr nahe. „Alles Gute“ wird dem Kind durch eine Berührung zugesprochen. Das berührende Zeichen in Verbindung mit einem gesprochenen Wort ist das Grundelement der Segnung: „Gott segne und behüte dich, unsere Gruppe, …“ Segnen heißt Gott um seine Begleitung bitten, was jede/r tun kann ohne bestimmte äußere Form. Was zählt ist nur die Ehrlichkeit des Herzens (vgl. Biesinger, Hauf, Schönauer, Kapitel: Die spirituelle Entwicklung des Kindes).
Beispiel eines Segensspruchs, der auch mit Bewegung unterstützt werden kann:
Gott segne dich, Gott segne mich,
passt auf und lässt uns nicht im Stich.
(Nussmüller, modifiziert nach Chris Fraser, 2006: Meine ersten Kindergebete. Köln: Parragon)
Die Gemeinschaft der Eltern-Kind-Gruppe ist zumeist auch eine Tischgemeinschaft. Beim Miteinander-Essen kann auch die Verbundenheit mit Gott und allem Lebendigen thematisiert werden, sowie die Freude darüber, dass dieses gemeinschaftliche Leben möglich ist.
Für Dich | zu einem anderen Kind zeigen |
und für mich | auf sich selbst zeigen |
ist der Tisch nun gedeckt | Handflächen auf den Tisch schlagen, klatschen |
Hab’ Dank, guter Gott | Arme hoch halten |
dass es uns jetzt gleich schmeckt | Hände auf den Bauch legen |
Nussmüller (Text modifiziert nach einem Tischspruch von Katharina Bäcker-Braun, 2011: Religiöses Erleben von Anfang an. München: Don Bosco)
Es gibt auch Zeiten der Betroffenheit oder sogar Trauer in der Gruppe, wo Kinder die Ohnmacht der Erwachsenen spüren und hören.
Die Katze (die schon öfter in der Gruppe war) ist krank, ich spreche ein Gebet:
Guter Gott,
du weißt, wie sehr wir unsere Katze lieben.
Und nun geht es ihr gar nicht gut.
Bitte hilf dem Tierarzt, sie richtig zu behandeln,
vielleicht kann sie dann wieder gesund werden.
Amen
(Nusmüller)
Feste sind eine gute Gelegenheit, Gott ins Wort zu bringen. Es eignen sich auch Texte, die nicht vordergründig religiös sind, aber einen Anstoß zum Gespräch geben und das Geheimnis des Lebens erahnen lassen: z.B. eine Oster-Spielgeschichte mit Legekarten:
Meine Hand ist ein Nest,
drinnen liegt ein Ei.
Muss es wärmen, es bebrüten,
es beschützen, es behüten.
Macht es irgendwann dann „knacks“
„Herzlich willkommen, kleiner Schatz!“
Leider kann ich’s nicht so gut
Wie es Mutter Henne tut.
(Elke Hofstätter, 2012. In: kiref Nachrichten 1/2012/105:19)
Erfahrungen in und mit der Natur sind Sinneserfahrungen und eine Quelle an Möglichkeiten, über die Genialität Gottes und des Lebens zu staunen. Das Kind erfährt Gott als Grundlage alles Lebendigen, von dem es selbst ein Teil ist. Beispiele dafür, in der Eltern-Kind-Gruppe die Verbundenheit mit der Natur zu stärken, können sein:
barfuß zu gehen, Tastwege zu legen, alles Hantieren mit Naturmaterial, ein Feuer zu machen (z.B. Osterfeuer), miteinander ein Stück zu wandern (z.B. eine Kinderwagenwallfahrt), Laub werfen, Steine sammeln, Tiere in die Gruppe mitbringen, gatschen & matschen, …

Schildkröten zu Besuch in der Eltern-Kind-Gruppe

gatschen & matschen
Um mit Kindern über Gott und die Welt zu reden brauchen wir in der Eltern-Kind-Gruppe unseren ganzen Körper. Wir können tanzen, singen, hüpfen und laufen.
Einfaches Gebet mit Bewegung:
Weit wie die Erde | Arme weit ausbreiten |
auf der ich gehe und laufe | am Stand gehen und laufen |
Tief wie das Meer | nach unten zeigen |
und hoch wie der Himmel | strecken |
ist Gottes Liebe zu mir. | Hände auf die Brust legen |
Nussmüller (Text modifiziert nach einem Gebet von Chris Fraser, 2006: Meine ersten Kindergebete. Köln: Parragon)
Auch zum altbekannten Strichmännchen-Zeichnen gibt es eine religiöse Variante:
Gott hatte einen schönen Traum | |
Von einem Kind, man glaubt es kaum | Kreis für Gesicht zeichnen |
Mit einem schönen runden Bauch | Kreis für den Körper zeichnen |
Und einen Namen hat es auch: ... | Name des Kindes sprechen |
Mit Beinen, Füßen, Zehen | mit Strichen Beine und Füße andeuten |
Hast du ein Gesicht gesehen? | Punkte und Striche für Augen, Nase, Mund |
Mit zwei Armen schön und lang | mit Strichen Arme, Hände und Finger andeuten |
Und an den Händen Finger dran. | |
Gott freut sich und spricht: | |
Mein/e ... ist ein/e Liebe/r | die Figur umkreisen |
den/die vergess ich nicht. |
Variation für Wickelkinder: auch als Berührungsspiel für den Wickeltisch geeignet
Nussmüller (Text modifiziert nach einer Geschichte von Katharina Bäcker-Braun, 2011: Religiöses Erleben von Anfang an. München: Don Bosco)
Durch biblische Geschichten hören Kinder, welche Erlebnisse Menschen mit Gott haben, wie sie sich verhalten und wie Gott in ihr Leben hineinwirkt. Dabei kommt vieles vor, was die Kinder aus ihrem eignen Leben kennen: Gefühle wie Ärger, Freude, Traurigkeit oder Bedürfnisse wie das Dazugehören-Wollen und das sicher und geliebt Sein.
Werden in der Eltern-Kind-Gruppe die Bilder einer Kinderbibel betrachtet, ist besonders auf die ästhetische Gestaltung zu achten so wie auf die Richtigkeit der Darstellung. Inhaltlich sollen Bilder und Texte nicht durch erfundene Ereignisse ausgeschmückt sein.
Die sprachliche Deutung durch den Erwachsenen
- Ein Kind erlebt etwas und erfährt die
- sprachliche Deutung durch den Erwachsenen.
Das junge Kind lernt durch die Art und Weise, wie seine Bezugspersonen Gott in ihrem Leben vorkommen lassen und dies auch benennen (vgl. https://uni-tuebingen.de/fakultaeten/katholisch-theologische-fakultaet/lehrstuehle/religionspaedagogik/lehrstuhl/emeriti/prof-albert-biesinger/veroeffentlichungen/buchpublikationen/). Durch die liebevolle Erfüllung seiner Bedürfnisse erfährt es, wie sich gelebte Werte anfühlen: Nächstenliebe, Toleranz, Unantastbarkeit der menschlichen Würde.
Durch Kerzen, Gerüche, Atmosphäre, Rituale, Musik, Bewegung, und Geschichten hat es Eindrücke und Bilder, die sich als Schatz im Gehirn verankern. Die Be-Deutung der Bilder und Eindrücke können sich Kinder nicht von alleine erschließen, hierin sind sie auf die sprachliche Deutung durch Erwachsene angewiesen. Ein Beispiel aus der Praxis der Autorin:
Caroline feiert Geburtstag in der Eltern-Kind-Gruppe: Ich entzünde eine Kerze, dabei spreche ich: „Die Kerze macht unsere Mitte hier ganz hell, genau so ist das mit dir Caroline. Du bringst viel Freude und Licht in deine Familie, Mama, Papa, Opas und Omas und auch wir hier in der Gruppe, alle freuen sich, dass es dich gibt und dafür haben wir ein Zeichen: das Licht dieser Kerze.“ Caroline steht auf und geht mit ihrer Mutter rund um das Licht, die Gruppe singt ein Geburtstagslied. So kann sie die Besonderheit des Tages gut spüren und mit allen Sinnen erleben, zugleich erhält das Licht auch eine (religiöse) Deutung.
Nur Mut, Gott ins Wort zu bringen!
Die ganzheitliche Förderung der Kinder betrifft auch die spirituelle Dimension des Menschseins. Kinder brauchen für transzendente Erfahrungen eine Sprache. Nicht-Reden würde den Zugang verschließen, sprachlos machen (vgl. Biesinger, Hauf, Schönauer, Kapitel: Die spirituelle Entwicklung des Kindes). Biesinger spricht vom „Mehrwert religiöser Erziehung“ und auch Anton Bucher (Theologe, Präsident der Internationalen Pädagogischen Werktagung, Salzburg, 6 eigene Kinder) betont: „Menschen, die Spiritualität leben, sind nachweislich zufriedener, gelassener, weniger anfällig für Stress, haben ein höheres Selbstwertgefühl“ – gute Gründe also, um auch in der Eltern-Kind-Gruppe über Gott und das Leben zu reden.
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